Neubewertung der Pangasius-Fischzucht in Vietnam

Stand: 09/13/2022
"Pangasius – der umstrittene Fisch". Zu diesem Artikel aus dem Jahr 2016 hat uns die Meldung einer Leserin erreicht. Sie hatte in Vietnam Pangasius-Aquakulturen am Mekong gesichtet und, ähnlich wie in unseren damals zitierten Film-Dokumentationen, katastrophale Zustände beschrieben.

Wir erinnern:
Ab 2010 hat es Verhandlungen über die Produktionsmethoden gegeben zwischen der vietnamesischen Regierung, Vertretern der Pangasius-Industrie und der Umweltorganisation World-Wildlife Fond (WWF). Die Verhandlungen brachten im Ergebnis, dass sich die vietnamesische Seite verpflichtete, die komplette Pangasiusindustrie auf umweltfreundlichere Produktionsmethoden umzustellen. Bis 2015 sollten wenigstens 50 Prozent der Pangasiuszucht auf die festgelegten ökologischen Standards umgestellt sein. Im Gegenzug nahm der WWF den Pangasius von seiner roten Liste und führte in seinem Fischratgeber eine neue Kategorie ein: „Zucht in Umstellung auf Umweltstandard“. Da die Umwandlung der konventionellen Aquakultur auf eine Produktion nach ökologischen Kriterien Zeit beansprucht, hat der WWF den fernöstlichen Produzenten eine mehrjährige Frist gewährt, innerhalb der er darauf verzichtet, explizit vom Kauf von Pangasius abzuraten.

Wir wollten wissen:
Wie hat sich seither die Pangasius-Aufzucht bzw. der Anteil der nachhaltig wirtschaftenden Pangasiuszuchtbetriebe in Vietnam weiter entwickelt? Wir fragten beim WWF nach.


Bewertung der aktuellen Pangasiusproduktion durch den WWF

Im WWF-Fischratgeber 2022 ist die Bewertung von Pangasius aus konventionell wirtschaftenden Teichanlagen in Vietnam unverändert im gelben Bereich, also in der Kategorie: „Zucht in Umstellung auf Umweltstandard“. Die nach wie vor kritischen Produktionspraktiken werden im WWF-Fischratgeber konkret benannt. Dies sind z.B. Einträge von Chemikalien und Medikamentenzusätze in die Umwelt durch ungeklärte Abwasser- und Schlammentsorgung oder etwa die Gefährdung der Wildfischbestände durch Fischfütterung.

Der Meeresbiologe Dr. Philipp Kanstinger ist im WWF-Fischerei-Ressort Hamburg zuständig für die Zertifizierung von Fisch und Meeresfrüchten. In einem Interview am 3. August 2022 fasste er die Entwicklungstendenz so zusammen:

Die großen Fischzuchtbetriebe in Vietnam sind professioneller und nachhaltiger geworden. Sie haben beispielsweise in teure, bessere Geräte investiert, um Abwässer, Fäkalreste und Schlamm abzupumpen und sie einer Weiterverwertung als Dünger zuzuführen. Die Betriebe sind prinzipiell gut organisiert und werden kontrolliert, jedoch ist das vietnamesische Kontrollsystem mangelhaft.
Kleinere Fischfarmen konnten bei den teuren Investitionen nicht mithalten. Die Zahl der produzierenden Betriebe ist dadurch geschrumpft.

Trotz Fortschritt ist der Produktionsstandard noch immer nicht im grünen Bereich.
Es gibt in der Pangasiuszucht verschiedene Zertifizierungssysteme, die eine verantwortliche, betriebliche Praxis entlang der Produktionskette von der Fischbrut über die Fütterung bis hin zur „Ernte“, zum Transport und zur Verarbeitung garantieren. Sie reichen in Vietnam vom vietnamesischen Mindeststandard VietGAP am unteren Ende der Skala bis hin zum Bio-Standard.

Bio-zertifiziert sind weniger als ein Prozent der Betriebe. Bio-Pangasius ist in Vietnam so rar, dass er den deutschen Endverbraucher kaum erreicht.
Quasi jedes Pangasiusfilet in deutschen Supermarktregalen ist mit einem ASC-Label gekennzeichnet. (ASC-Zeichen steht für Aquaculture Stewardship Counsil). Das ASC-Label ist gewissermaßen die Eintrittskarte für den deutschen und europäischen Markt. Doch der ASC-Kriterienkatalog ist lediglich ein Achtungsergebnis eines langjährigen Verhandlungsprozesses zwischen Umweltverbänden und der vietnamesischen Pangasiusindustrie, der man die Chance auf eine nachhaltige Entwicklung gewähren möchte. Wie im WWF-Fischratgeber nachzulesen, gibt es bei der Erfüllung von Umweltstandards noch viel Luft nach oben. ASC-zertifizierte Betriebe sind allerdings gute Arbeitgeber. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen sind entlang der Prozesskette gut.

30 bis 40 Prozent der Fischfarmen sind überhaupt nach einem aussagekräftigen Zertifizierungssystem zertifiziert, darunter auch die Träger des ASC-Zeichens. Der WWF geht derzeit davon aus, dass etwa 16% der landwirtschaftlichen Flächen ASC-zertifiziert sind, allerdings gibt es unterschiedliche Quellen mit unterschiedlichen Prozentzahlen.
Daneben gibt es noch weiter global anerkannte Zertifikate wie GLOBALG.A.P oder BAP (Best Aquaculture Practices), deren Ansprüche unterhalb des ASC-Zeichens liegen.
Der VietGap liegt nochmals unter dem Niveau des GLOBAG.A.P. und weist Mängel in der Kontrolle auf. Er wurde daher nicht in die Liste der „aussagekräftigen Zertifizierungen“ aufgenommen.


Fazit
Nach wie vor empfehlen Naturschützer, sich hauptsächlich an Bio-Labeln wie z.B. Naturland zu orientieren. Faktisch steht allerdings dem deutschen Verbraucher nur ASC-Pangasius zur Verfügung. Die ASC-Zertifizierungsbedingungen sind weiter in einem Entwicklungsprozess. So soll eine stete Nachfrage nach ASC-zertifiziertem Fisch langfristig helfen, die Produktionsstandards weiter zu verbessern.

Nach Kanstinger sollte der europäische Einfluss auf die vietnamesischen Produktionsbedingungen jedoch nicht überschätzt werden. Nur etwa 30 bis 40 Prozent der Pangasiusproduktion wird in westliche Länder exportiert. Knapp 70 Prozent der Pangasiusproduktion geht nach China, Indien und in andere Schwellenländer, in denen Standards keine Rolle spielen.


Wir bedanken uns bei Dr. Philipp Kanstinger für das Gespräch und danken unserer freundlichen Leserin für den Anstoß zu unserer Recherche!


Quellen und weiterführende Informationen
  • World-Wildlife fond (WWF) (Hrsg.): WWF Fischratgeber: Pangasius, im Internet unter fischratgeber.wwf.de (Zugriff 02.09.2022)
  • Good fisch foundation, WWF Europa (Hrsg.): WWF-Bericht: Pangasianodon hypophthalmus; Pangasius bocourti, Striped Catfish Viet Nam, Version 2.3, Bewertung vom 06.01.2022
  • Aquaculture Stewardship Counsil (ASC) (Hrsg.): Über die ASC-Zertifizierung, im Internet unter de.asc-aqua.org (Zugriff 02.09.2022)
  • Global Aquaculture Alliance (GAA) (Hrsg.): BAP-Zertifizierung, im Internet unter bapcertification.org (Zugriff 02.09.2022)
  • GLOBALG.A.P. (Hrsg.): Anforderungen für die Nutzung des GGN-Labels, im Internet unter globalgap.org (Zugriff am 02.09.2022)
  • VietGAP (Hrsg.): VietGAP standard, im Internet unter quacert.gov.vn (Zugriff am 02.09.2022)


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