Speckmaß und Fleischmaß bei Schlachtschweinen - Rückschlüsse auf Fütterung und Management

Stand: 04/30/2009
Autor: Detlef Groß, DLR Westerwald-Osteifel


Zweck der Schweineproduktion ist die Erzeugung von hochwertigem Schweinefleisch. Deshalb ist der Muskelfleischanteil eines der wichtigsten Kriterien für den Handelswert von Schlachtschweinen, denn Fleisch und nicht Fett ist gefragt. Neben der AutoFOM-Klassifizierung, bei der das Gewicht der wertvollen Teilstücke geschätzt wird, ist die Schätzung des Muskelfleischanteils über die Messung von Fleischdicke und Speckdicke am Rückenmuskel, das FOM-Verfahren, das wichtigste Klassifizierungsverfahren für Schlachtschweine. Der damit ermittelte Muskelfleischanteil dient in den Preismasken der Schlachtunternehmen als Maßstab für Zu- und Abschläge auf den Basispreis. Diese können je nach Verwertungsausrichtung der einzelnen Schlachtunternehmen – Metzgerschweine oder Verarbeitungsschweine - recht unterschiedlich ausfallen – siehe Übersicht 1. Der Auszahlungspreis wird also sehr stark vom Muskelfleischanteil der Schweine bestimmt und hat so erhebliche Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit der Schweineproduktion, wie in Übersicht 2 deutlich wird: ± 1 % Muskelfleischanteil bedeuten ± 3,10 € Erlös pro Schwein. Lediglich Betriebe, die weniger als 200 Schweine pro Woche schlachten, können die Klassifizierung über das Zweipunkteverfahren vornehmen. Die dabei mit der Schieblehre ermittelten Speck- und Fleischmaße werden über eine Formel in Muskelfleischanteile umgerechnet.
Arbeiten nach dem Schlachten
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Preismasken für Schweine
Rheinland-Pfalz / Hessen 2008
Zu- und Abschläge für Magerfleisch in Cent / %
Magerfleisch-
anteil
Schlachthof A
Schlachthof B
Schlachthof C
Schlachthof D
62 %
3
3
61%
3
3
60 %
2
3
1
59 %
2
3
1
58 %
1
2
3
2
57 %
2
2
3
2
56 %
Basispreis
55 %
-3
-8
-4
-3
54 %
-3
-8
-4
-3
53 %
-3
-8
-4
-3
52 %
-3
-9
-4
-3
51 %
-4
-9
-4
-5
50 %
-4
-9
-5
-5
49 %
-4
-9
-5
-5
48 %
-4
-9
-5
-5
47 %
-4
-9
-5
-8

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Einflüsse auf die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast (Winter 2008 / 2009)
1
+ / -
1
% Ausschlachtung=+ / -1,96EUR / Schwein
2
+ / -
0,1
Futterverwertung=+ / -1,85EUR / Schwein
3
+ / -
1
EUR / dt Futterpreis=+ / -2,64EUR / Schwein
4
+ / -
50
g Zunahmen=+ / -1,38EUR / Schwein
5
+ / -
1
% Verluste=+ / -0,80EUR / Schwein
6
+ / -
1
Ct / kg Schweinepreis=+ / -1,03EUR / Schwein
7
+ / -
1
% Magerfleisch=+ / -3,10EUR / Schwein
8
+ / -
50
EUR Baukosten=+ / -2,20EUR / Schwein
9
+ / -
1
% Zinsen=+ / -1,36EUR / Schwein
10
+ / -
10
% Eigenkapital=+ / -0,41EUR / Schwein



Speckmaß beeinflusst die Muskelfleischanteile am stärksten
Bei der halbautomatischen Klassifizierung mit dem FOM-Gerät errechnet sich der Muskelfleischanteil zurzeit nach folgender Formel:
MF% = 58,6688 – 0,82809 x SP (Speckmaß) + 0,18306 x FM (Fleischmaß).
Die daraus resultierenden Muskelfleischanteile sind in Übersicht 3 zusammengestellt.
Sogenannte Metzgerschweine, die 60% Muskelfleischanteil und mehr bringen sollen, dürfen ein Speckmaß von maximal 12 bis 14 mm aufweisen. Maximal 16 bis 20 mm Speck sind je nach Fleischmaß erlaubt, um noch in die Handelsklasse E (55 % und mehr) zu gelangen, während 22 bis 26 mm Speck je nach Fleischmaß die Grenze von der Handelsklasse U (50 bis 55%) zur Klasse R (45 bis 50%) darstellen. Deutlich wird der starke Einfluss des Speckmaßes, denn es wird in der derzeit gültigen Formel 4,5-mal so stark gewichtet wie das Fleischmaß. Wenn das Speckmaß um 2 mm zunimmt, muss also das Fleischmaß um 9 mm steigen, um den gleichen Muskelfleischanteil zu ergeben - jenseits von 18 mm Speck lassen sich kaum noch mehr als 55% Muskelfleischanteil erzielen.
+ 1 mm Speck bedeuten - 0,8% Muskelfleischanteil oder 2,50 € / Schwein,
+ 3 mm Speck bedeuten - 2,5% Muskelfleischanteil oder 7,50 € / Schwein.
Je nach Preismaske des Abnehmers sollte das Speckmaß also < 16 – 18 mm liegen, das Fleischmaß > 60 mm, besser > 63 mm.
Schlachtkörper
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FOM-Verfahren
Formel: MF % = 58,6688 - 0,82809 x SP + 0,18306 x FM
Speckmaß in mmFleischmaß in mm
50
53
56
59
62
65
68
71
74
77
80
83
8
61,2
61,7
62,3
62,8
63,4
63,9
64,5
65,0
65,6
66,1
66,7
67,2
10
59,5
60,1
60,6
61,2
61,7
62,3
62,8
63,4
63,9
64,5
65,0
65,6
12
57,9
58,4
59,0
59,5
60,1
60,6
61,2
61,7
62,3
62,8
63,4
63,9
14
56,2
58,8
57,3
57,9
58,4
59,0
59,5
60,1
60,6
61,2
61,7
62,3
16
54,6
55,1
55,7
53,2
56,8
57,3
57,9
58,4
59,0
59,5
60,1
60,6
18
52,9
53,5
54,0
54,6
55,1
55,7
56,2
56,8
57,3
57,9
58,4
59,0
20
51,3
51,8
52,4
52,9
53,5
54,0
54,6
55,1
55,7
56,2
56,8
57,3
22
49,6
50,2
20,7
21,3
51,8
52,3
52,9
53,4
54,0
54,5
55,1
55,6
24
47,9
48,5
49,0
49,6
50,1
50,7
51,2
51,8
52,3
52,9
53,4
54,0
26
46,3
46,8
47,4
47,9
48,5
49,0
49,6
50,1
50,7
51,2
51,8
52,3
28
44,6
45,2
45,7
46,3
46,8
47,4
47,9
48,5
49,0
49,6
50,1
50,7
30
43,0
43,5
44,1
44,6
45,2
45,7
46,3
46,8
47,4
47,9
48,5
49,0



Überarbeitung der Schätzformeln
Klassifizierung
Die derzeit verwendeten Schätzformeln für FOM und AutoFOM sind bereits zehn Jahre alt. Die Genetik der Schlachtschweine hat sich aber seitdem verändert, was zu Fehleinschätzungen des Muskelfleischanteils führt. Nach Angaben des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Fleisch, Kulmbach (vormals Bundesanstalt für Fleischforschung) unterschätzen die FOM-Einstichsonden momentan den wahren Muskelfleischanteil um etwa 1%. Auch der über das AutoFOM-Verfahren ermittelte Muskelfleischanteil weist um ca. 1% höhere Werte aus als das FOM-Verfahren. Ebenso liegt das Niveau der Klassifizierung mit der Nadel in den Niederlanden und Dänemark nach Erfahrungen von Lieferanten in ähnlicher Größenordnung über den deutschen Ergebnissen. Deshalb sollen von Mai bis November 2009 am Schlachthof Altenburg insgesamt 300 Schlachtschweine unterschiedlicher Herkünfte mit verschiedenen Verfahren klassifiziert und in Kulmbach computertomografisch vermessen und von Hand feinzerlegt werden. Die daraus zu entwickelnden neuen Formeln werden wohl erst ab Mitte 2010 zum Einsatz kommen.


Ursachen für abfallende Muskelfleischanteile
Meist sucht man bei unbefriedigenden Muskelfleischanteilen die Ursache zuerst in Tiermaterial und Genetik. Natürlich gibt es fleischreiche Rassen und Linien genauso wie solche, die mehr zur Verfettung neigen. Schweine, bei denen Rassen wie Duroc, Hampshire, Schwäbisch-Hällisch oder dänische Kreuzungssauen zur Erstellung der Mastendprodukte verwendet werden, können im Muskelfleischanteil sicherlich nicht mit Kreuzungstieren Deutsche Landrasse x Pietrain konkurrieren. Ebenso wie bei manchen Zuchtunternehmen wie JSR oder UPB die Zuchtarbeit stärker auf die Schlachtkörperqualität ausgerichtet ist als z.B. bei Topigs, BHZP, Danzucht oder PIC, wie die Ergebnisse des jüngsten Düsser Warentests wieder bestätigen.
Aber auch bei gleicher Genetik können die Muskelfleischanteile sehr verschieden ausfallen. Starken Einfluss hat die Fütterung. In Ferkelaufzucht und Vormast müssen die Schweine gut mit Eiweiß und Aminosäuren versorgt werden, damit sie ihre Muskeln ausbilden können. Dazu ist auch eine ausreichende Energieversorgung nötig, damit die Tiere bei einer noch begrenzten Futteraufnahme ihr Wachstums- und Muskelansatzvermögen ausschöpfen können. Was hier versäumt wurde, lässt sich in späteren Mastabschnitten nicht mehr nachholen. Ferkelaufzuchtfutter und Vormastmischungen müssen also eiweißreich mit hohen Lysingehalten, aber auch energiereich ausgestattet werden. Eine Ferkelfütterung mit hochwertigem Futter zahlt sich also für den Mäster aus. In der Endmast heißt es hingegen, die Energiezufuhr der Schweine zu begrenzen, um eine Verfettung zu vermeiden. Aber auch eine gute Gesundheit der Ferkel und Mastschweine und ein gutes Stallklima sind wichtig, um zufriedenstellende Muskelfleischanteile zu erreichen, denn kranke Schweine oder solche, deren Lungen unter Schadgasen in der Stallluft leiden, können nicht optimal wachsen und Muskeln ansetzen. Einbrüche durch Erkrankungen mit Circoviren oder anderen Erregern führen ebenso wie eine unzureichende Lüftung zu schlechten Muskelfleischanteilen. Resultieren die niedrigen Muskelfleischanteile aus zu geringen Fleischmaßen oder aus zu hohen Speckmaßen? In welchem Mastabschnitt sind die Fehler zu suchen? In Übersicht 4 sind die Ursachen, die in der Fütterung liegen, zusammengestellt. Kurzgefasst lässt sich sagen, dass als Grund für niedrige Fleischmaße häufig eine zu geringe Aminosäurenversorgung in Ferkelaufzucht und Vormast, aber vielleicht auch eine zu geringe Energieversorgung in diesen Wachstumsabschnitten und damit ein gestörtes Jugendwachstum zu nennen ist. Fällt das Speckmaß hingegen zu hoch aus, ist die Energieversorgung in Mittel- und Endmast zu hoch gewesen.
Details verbergen für Übersicht 4Übersicht 4
Einfluss der Aminosäuren- und Energieversorgung auf die Schlachtqualität (nach H. Nehf, Würzburg)
FMokFütterung in Ferkelaufzucht, Vormast und Endmast in Ordnung
SPok
FMzu niedrig= zu wenig Aminosäuren / evlt. auch Energie in Ferkelaufzucht und Vormast
SPokEnergie in Endmast in Ordnung
FMzu niedrig= zu wenig Aminosäuren / evlt. auch Energie in Ferkelaufzucht und Vormast
SPzu hoch+ zuviel Energie in Endmast
FMokAminosäurenversorgung in Ordnung
SPzu hoch= zuviel Energie in Endmast

Klassifizierung


Zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen zur Verbesserung von Fleischmaß und Speckmaß geben:
  1. Ausschöpfung des Wachstums- und Fleischansatzvermögens in Ferkelaufzucht und Vormast.
  2. Für gute Gesundheit der Ferkel und gutes Stallklima sorgen.
  3. Hohe Aminosäure- und Energiegehalte in Futter für Ferkelaufzucht und Vormast.
    Mastabschnitt 25-40 kg: > 0,80 g Lysin / MJ ME, 40-80 kg: 0,76-0,78 g Lysin / MJ ME, 80-120kg: 0,65-0,73 g Lysin / MJ ME.
  4. Börge rationieren – je nach Herkunft und Futteraufnahme ab 50-70 kg (Fütterungstechnik!).
  5. Energiedichte im Endmastfutter begrenzen (12,6-13,0 MJ ME).
  6. Schlachtgewichte begrenzen – ein um + 1 kg höheres Schlachtgewicht zu erfüttern, kostet bei heutigen Futterpreisen rund
    1 €/kg Schlachtgewicht (netto).
  7. Schweine wiegen und sortieren – ein Verkauf eine Woche später bedeutet:
    + 4,8 kg Mastendgewicht = + 3,8 kg Schlachtgewicht = +19,2 kg Futter.
    Gerade Börge setzen dieses Futter in der Endmast stärker in Fett um, das über das Speckmaß die Fleischanteile verschlechtert.
    Eine Waage gehört deshalb in jeden Mastbetrieb. Mit dem Wiegen der verkaufsfähigen Schweine, zumindest der Vorläufer in jedem Abteil, „eicht“ man das Auge, mit dem Wiegen ganzer Verkaufspartien kann man zusätzlich auch die erzielte Ausschlachtung kontrollieren.
Excel-Anwendungen zu
Übersicht 2
Wirtschaft_Mast 0809.xls (19 KB)
Übersicht 3
FOM_Verfahren.xls(19 KB)
(Voraussetzung mindestens Excel XP)
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