Untergewicht bei Kindern und Jugendlichen | ||||||||||||||
Stand: 07/18/2017 | ||||||||||||||
Wenn man Kinder oder Jugendliche längere Zeit nicht gesehen hat, fällt es besonders auf, wenn sie sich verändern. Da kann man schon mal einen Schreck bekommen, wenn aus einem kleinen dicken Pummelchen eine lange dünne Bohnenstange geworden ist, bei der man die „Rippen zählen“ kann. Muss man sich bei diesen Veränderungen immer gleich große Sorgen machen? Wie verbreitet ist Untergewicht in Deutschland? Laut Ernährungsbericht 2008 sind Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen zwischen 5 % (3- bis 6-Jährige) und 9,5 % (11- bis 13-Jährige) untergewichtig. Untergewicht ist weniger häufig verbreitet als Übergewicht (9-14 % je nach Altersgruppe). Besorgniserregend ist nach wie vor der „Schlankheitswahn“. Die KIGGS-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2003-2006) ergab weiterhin, dass 21,9 % der 11- bis 17-Jährigen Merkmale eine Essstörung aufweisen. Dabei sind Mädchen fast doppelt so häufig betroffen wie Jungen. Allerdings kommt es erst bei einem extremen Untergewicht zu bedrohlichen Problemen. Wie erkennt man Untergewicht? Wenn Brustkorb und Beckenknochen scharf hervorstehen, kann dies ein Indiz für Untergewicht sein. Weitere Anzeichen sind:
Wie viel ein Kind letztendlich zu wenig auf die Waage bringt und ob sein Untergewicht gesundheitlich bedenklich ist, lässt sich nicht alleine durch Sinneswahrnehmungen ermitteln. Eine einfache Methode ist die Berechnung des Body-Mass-Index (BMI). Die Formel lautet:
Ein 9-jähriges Mädchen, das 37 kg wiegt und 1,40 m groß ist, hat einen BMI von 18,9:
Was sind die Ursachen für Untergewicht? Untergewicht in der Wachstumsphase In manchen Wachstumsphasen konzentriert sich alles in Richtung Längenwachstum, das Breitenwachstum kommt erst später nach. Man sollte die Kinder deshalb in ihrer individuellen Entwicklung über einen längeren Zeitraum beobachten. Bereits beim Säugling verläuft die Gewichtszunahme nicht gleichmäßig, sondern in Schüben. Es kann in einer Woche eine geringere Zunahme erfolgen als in einer anderen. Ein Säugling, der nicht zunimmt, sollte baldmöglichst dem Kinderarzt vorgestellt werden, um Ess- oder Gedeihstörungen auszuschließen. Bei jeder Früherkennungsuntersuchung wird das Gewicht des Kindes festgestellt und in dem gelben Untersuchungsheft festgehalten. Hierdurch ist die Gewichtsentwicklung gut einzuschätzen. Informationen: Gesund essen von Anfang an Die erste Streckung folgt etwa zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr. Hier ist das Längenwachstum stärker als die Gewichtszunahme, das Erscheinungsbild der Kinder wirkt dünner und schlanker, der Babyspeck verschwindet. Ein weiterer größerer Wachstumsschub wird etwa um das 10. Lebensjahr herum beobachtet, bei dem die Gewichtszunahme geringer als das Größenwachstum ist. Längen- und Breitenwachstum verlaufen weder gleichzeitig noch sind sie bei jedem Kind gleichermaßen ausgeprägt. Kinder gleichen Alters essen auch nicht stets gleich viel, so wie sie sich auch in ihren täglichen Aktivitäten unterscheiden. Weiterhin findet man immer wieder mehr oder weniger kategorische Essensverweigerer ohne erkennbaren Grund. Kinder tragen gerne Machtkämpfe mit den Eltern über das Essen aus, weil sie merken, dass diese besorgt sind und ihnen Aufmerksamkeit schenken. Geringes Untergewicht gerade bei Kindern in der Wachstumsphase birgt im Normalfall keinerlei Risiken. Untergewicht ist nicht mit Unterernährung gleichzusetzen. Insbesondere dann nicht, wenn das Kind, über einen längeren Zeitraum betrachtet, ausgewogen isst und ein munteres, lebendiges Verhalten zeigt. Untergewicht durch Krankheit Wenn ein Kind normal isst und trotzdem abnimmt, sollte man unbedingt den Arzt aufsuchen und abklären lassen, ob eine Krankheit vorliegt, die mit einer Gewichtsabnahme einhergeht. Das ist beispielsweise bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa oder Zöliakie der Fall. Auch Mukoviszidose, Herzfehler, lange dauernde Infektionen, Nierenfunktionsstörungen, Lebensmittelunverträglichkeiten oder eine Schilddrüsenüberfunktion können für ein niedriges Körpergewicht verantwortlich sein. Untergewicht durch Magersucht Die auffälligste Essstörung, die zu Untergewicht führt, ist die Anorexia nervosa („nervöse Appetitlosigkeit“) oder Magersucht. Aus der Notwendigkeit zu essen wird ein Krankheitsbild mit erheblichen psychischen, sozialen und körperlichen Konsequenzen. Dahinter steckt der Versuch, Schwierigkeiten im Leben in den Griff zu bekommen, aus denen der Jugendliche keinen Ausweg weiß. Der Gewichtsverlust ist dabei selbst herbeigeführt, entweder durch Fasten, exzessive körperliche Aktivität und/ oder durch Maßnahmen, die einer Gewichtszunahme entgegenwirken, wie Erbrechen oder Missbrauch von Abführ- oder Entwässerungsmitteln. In der Folge kommt es zu Störungen im Hormonhaushalt, deren erkennbares Zeichen bei Mädchen das Ausbleiben der Regelblutung ist, bei männlichen Patienten kommt es zu Libido- oder Potenzverlust. Trotz des meist erheblichen Untergewichts fühlen sich die Betroffenen zu dick. Sie haben panische Angst, zuzunehmen. Nach Erreichen des „Wunschgewichtes“ sind sie nicht mehr in der Lage mit dem Hungern aufzuhören. Magersüchtige Jugendliche sind meist sehr intelligent und aktiv, wodurch die Krankheit oft kaschiert wird und leicht übersehen werden kann. Eine systematische familientherapeutische Behandlung ist bei dieser Essstörung notwendig. Wann ist Untergewicht problematisch? Ursachen und Folgen des Untergewichts sind vielfältig. Gene, Hormone, Hunger und Sättigung, Kalorienzufuhr und -verbrauch führen bei einem Kind in einer Familie, in der viele Personen groß und schlank sind, ebenfalls dazu, dass diese Kinder groß und schlank sind und „alle Kalorien schnell verbrennen“. Ein leichtes Untergewicht ist meist kein Grund zu Panik. Falls jedoch Untergewicht mit einer Mangelernährung und damit mit einer Unterversorgung an Nährstoffen einhergeht, ist Vorsicht geboten. Eine zu geringe Aufnahme der lebenswichtigen Nährstoffe Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe zeigt sich auf Dauer an vielfältigen Symptomen (s.o.). Durch den Abbau von Muskulatur, Fettgewebe und stoffwechselaktiven Zellen kommt es zur Schwächung der Abwehrkräfte. Untergewichtige sind anfälliger für Infektionen und haben nur wenige Reserven für stressige Phasen. Das Risiko für eine spätere Osteoporose ist bei Untergewichtigen deutlich höher als bei Normalgewichtigen. Im Falle einer Magersucht kann es zu lebensbedrohlichen Situationen kommen, da die Betroffenen aus eigenen Stücken oft nicht aufhören können. Nur durch eine professionelle Psychotherapie haben ca. 50 % der Betroffenen gute Heilungschancen, bei 30 % ist mit einer Besserung zu rechnen. Bei 20 % der Magersüchtigen wird die Krankheit chronisch und etwa 5 % der Betroffenen sterben an den Folgen der Magersucht. Was kann man bei Untergewicht tun? Bei unserem heutigen Nahrungsangebot müssen untergewichtige Kinder nicht mit hochkalorischen Aufbaumitteln hochgepäppelt werden. Wenn im Kindesalter dem Essen zu viel Bedeutung beigemessen wird, kann sich das Gewicht bald ins Gegenteil umkehren. So kann bei einigen untergewichtigen Kindern im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren das Untergewicht rasch in starkes Übergewicht umschlagen. Untergewichtige Kinder brauchen genau wie normalgewichtige regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten. Falls das Kind einen großen Bogen um alles macht, was „Vitamine" enthalten könnte, kann dies mit einem Glas Multivitamin- oder Orangensaft ausglichen werden. Kinder mit Untergewicht müssen nicht zwangsläufig an Mangelerscheinungen leiden. Grundlage für eine Gewichtszunahme ist in jedem Fall eine vollwertige Ernährung. Sie sollte ausgewogen sein und den Bedarf an allen wichtigen Nährstoffen decken. Informationen: Kinderernährung vollwertig und lecker An dieser Stelle sei aber nochmals betont: Schwerwiegende Essstörungen sind jedoch nur mit einer eingehenden psychologischen Therapie in den Griff zu bekommen. Kleine hilfreiche Tipps für den Alltag:
Fazit Sehr schlanke Kinder, die gut wachsen, beschwerdefrei und leistungsfähig sind, sind gesund, auch wenn man bei ihnen „die Rippen zählen kann“. Erst wenn diese Phase länger andauert und wenn ein früher normalgewichtiges Kind im Vergleich zu Altersgenossen im Wachstum zurückbleibt oder wenn weitere Krankheitsanzeichen zu beobachten sind, sollte man sich Sorgen machen. Teenager, vor allem Mädchen, probieren nicht selten extreme Kostformen aus, die ihren Bedürfnissen nicht gerecht werden. Daraus kann sich auch eine Magersucht oder eine andere Essstörung ausbilden. Länger dauernde Appetitlosigkeit sollte zum Nachdenken anregen, ob nicht psychische Probleme auf den Magen schlagen. Quellen und weiterführende Informationen
|
|