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Probiotika in der Allergenprophylaxe?
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Probiotika in der Allergenprophylaxe?. Dieser Artikel beschreibt den Inhalt eines Online-Seminars des Deutschen Allergie und Asthmabundes (daab) anlässlich des Online-Allergietages am 21.06.2020 zum Thema „Wundermittel Probiotika?“. Referentin war Frau Dr. Imke Reese, Ernährungsberatung und -therapie Allergologie, München. Häufig hört man Aussagen wie „Nehmen Sie Probiotika zur Prophylaxe von Allergien und Darmbeschwerden“. Ist das wirklich so einfach? Kann durch den Verzehr von Probiotika die Zusammensetzung der Darmflora - die Darmmikrobiota - so verändert werden, dass durch positive Effekte der „neuen“ Bakterien einem Allergierisiko entgegen gewirkt wird? Unterscheidung Probiotika – Präbiotika Zunächst einmal sollte der Unterschied zwischen Probiotika und Präbiotika definiert werden. Nach Remo Frei, zitiert aus dem Buch „Pro- und Präbiotika in der Allergieprävention, de Gypter 2019“ sind Probiotika lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in der richtigen Konzentration verabreicht werden, einen vorteilhaften Effekt auf die Gesundheit haben.“ Folgende Wirkungsmechanismen probiotischer Keime werden diskutiert: Verhinderung, dass sich krankmachende Keime an der Darmwand anlagern und dort vermehren können. Beeinflussung von Darmschleimhautzellen, mehr Schleim zu produzieren und somit eine künstliche zweite Darmbarriere aufzubauen. Beeinflussung der Immunantwort und Unterstützung des Körpers zur Entwicklung einer Toleranz. Das Bedeutet, Probiotika helfen dem Körper beizubringen, zu akzeptieren, das im Darm fremde Strukturen, wie z.B. Nahrungsmittel vorhanden sind. Der Körper lernt damit umzugehen und eine Toleranz gegenüber den Nahrungsmitteln auszubilden. „Präbiotika sind unverdauliche Lebensmittelbestandteile, die von bestimmten Darmbakterien abgebaut werden und die gastrointestinale Mikrobiota in ihrer Zusammensetzung und/ oder Aktivität so beeinflussen, dass daraus ein Nutzen für Gesundheit und Wohlbefinden entsteht. Zu den Präbiotika zählen z.B. Inulin und Oligofruktose, die bevorzugt von Bifidobakterien als Nahrung genutzt werden“, so die Definition von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in „Die Nährstoffe, Bausteine für Ihre Gesundheit, Bonn 2012. Präbiotika sind folglich das Futter der Bakterien. Entwicklung des Darmmikrobioms Die ersten 1000 Lebenstage des Menschen spielen nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Organe und Stoffwechselwege im Körper, sondern auch bei der Entwicklung der Darmmikrobiota und der Immunantwort. Die Darmmikrobiota ist die Ansammlung der Mikroorganismen im Darm und das Darmmikrobiom beschreibt die Mikroorganismen, deren Genom und die Umgebungsbedingungen im Lebensraum Darm. Ab dem Zeitpunkt der Geburt beginnt die Besiedlung des Darms mit Bakterien. Das Darmmikrobiom ist nicht fix, hier wirken verschiedene Einflüsse wie die Art der Geburt, die mütterlichen Mikroben, die Umweltmikroben am Ort und der Umgebung des Aufwachsens, die Hygiene, ob gestillt wurde, wann Beikost eingeführt wurde und die frühkindliche Ernährung oder auch eine eventuelle Gabe von Antibiotika (siehe unten). Man geht davon aus, dass das Darmmikrobiom ab etwa dem dritten Lebensjahr relativ stabil ist. Seine Ausgestaltung ist wesentlich dafür, wie sich unser Immunsystem entwickelt und funktioniert. Mikrobiom und Präbiotika Die Forschung steht erst am Anfang der Erforschung des Mikrobioms. Es wird jedoch immer deutlicher, dass eine regelmäßige Zufuhr von Probiotika Einfluss auf unsere Mikrobiota ausüben kann. Unser Mikrobiom besteht aus rund 40 Billionen Bakterien, potenziell ca. 1000 verschiedenen Bakterienarten. Im Durchschnitt beherbergt jeder Mensch etwa 300 verschiedene Bakterienarten. Diese besitzen 500mal mehr Gene als der Mensch, wodurch eine hohe metabolische Aktivität entsteht und somit das Mikrobiom einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit entwickeln kann. Das Mikrobiom kann als das „Organ“ im Organ bezeichnet werden. Die Untersuchungen einer noch nicht abgeschlossenen Studie aus dem Jahr 2017 sollen zeigen, bis zu welchem Grad Veränderungen des Mikrobioms eine wirkungsvolle Option für Prävention, Therapie oder sogar beides von Allergien sein kann. Die Studie konzentriert sich auf die Erkenntnisse zur Rolle des Mikrobioms bei Patienten mit Asthma, Neurodermitis und Nahrungsmittelallergien. Ergänzt wird dies durch die Darstellung wichtiger Wissenslücken in Bezug auf die Rolle bei allergischen Erkrankungen und die Festlegung von Strategien, die erforderlich sind, um diese Lücken zu schließen. Darüber hinaus wird ein Überblick über die Fortschritte bei den zur Beeinflussung des Mikrobioms verwendeten Ansätzen gegeben. Das Ziel ist die Entwicklung einer Grundlage für künftige Maßnahmen zur Verminderung oder Verhinderung allergischer Erkrankungen. Die klinische Wirksamkeit wird vermutlich nicht mit einem einfachen Ansatz erzielt, sondern durch eine Vielfalt an Strategien. Somit sind wir zurzeit weit davon entfernt, Probiotika gezielt einsetzen zu können. Es gibt jedoch verschiedene Bereiche des menschlichen Körpers, wo Probiotika gut verwendet werden können. Hierzu zwei Beispiele: Haut: Eine Vielzahl von Bakterien befindet sich auf der Hautoberfläche. Dies ist bei der gesunden Haut kein Problem. Bei Neurodermitis ist die Hautbarriere jedoch gestört und es kommt durch Bakterien zu Entzündungen. Hier schaut man nun, wie dies durch die Zugabe von Probiotika positiv beeinflusst werden kann, oder wie so eingegriffen werden kann, dass die Kommunikation zwischen den Bakterien und der Haut wieder funktioniert. Darm: Darmbakterien im Einklang mit dem Darm sorgen für eine gesunde Darmbarriere, die dabei hilft, den Körper mit den lebensnotwendigen Stoffen zu versorgen und all das abzuwehren, was schädlich ist. Im entzündeten Darm ist die Kommunikation zwischen Bakterien und Darm gestört. Dies führt dazu, dass Prozesse in Gang gesetzt werden, die auf „Abwehr“ eingestellt sind. In diesem Fall erhofft man sich durch die Gabe von Probiotika, dass entzündungsfördernde Bakterien unterdrückt und dadurch Entzündungen vermieden oder reduziert werden können. Man kann nicht alle Probiotika miteinander gleichsetzen. Die Wirkungsweisen sind sehr unterschiedlich, daher muss genau geschaut werden, welches der Körper für welchen Zweck und in welcher Dosis benötigt. Eine Metastudie zum Thema „Probiotika zur Prävention der Neurodermitis“ kam zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Probiotika das Risiko eine atopische Dermatitis zu entwickeln, um 20 % senken kann. Das durchgängige Problem war jedoch, dass bei den durchgeführten Studien Probiotikastämme undifferenziert betrachtet wurden. Man konnte keinen Rückschluss ziehen, welche Bakterien in welcher Menge gegeben werden müssen. Und es konnten somit auch keine konkreten Empfehlungen abgeleitet werden. Zurzeit gibt es noch keine einheitliche Datenlage zur Wirkung von Probiotika auf das Neurodermitisrisiko. Eine weitere Studie aus Italien untersuchte, ob es durch Probiotika zu einer beschleunigten Toleranzentwicklung bei einer Kuhmilchallergie kommt. Dabei stellte sich heraus, dass Probiotika insbesondere bei den so genannten nicht IGE-vermittelten Kuhmilchallergien mit vorwiegend gastrointestinalen Symptomen wirken. Die Kuhmilchallergie bildet sich schneller zurück. Die Häufigkeit von Ekzemen, Urtikaria (Nesselsucht) und Asthma ist bei der Zugabe von Probiotika niedriger. Diese tragen offenbar dazu bei, dass das Immunsystem schneller von seinem Irrweg der Allergie weichen kann. Ein Teil der Wirkung funktioniert darüber, dass im Stuhl kurzkettige Fettsäuren nachweisbar sind. Fazit dieser Studie: Tolerante Kinder zeigen vermehrt Butyrat (Buttersäure) im Stuhl und solche Darmbakterien, die Butyrat produzieren. Dies sind vor allem solche Bakterienstämme, die am Abbau von Ballaststoffen beteiligt sind. Daraus lässt sich schließen, dass der probiotische Keim offenbar nicht nur direkt wirkt indem er sich im Darm ansiedelt, sondern auch dadurch, dass er das Milieu begünstigt, durch welches sich solche Darmbakterien überhaupt vermehren können, die dann wiederum eine positive Wirkung auf den Organismus haben. Eine ähnliche Untersuchung kam ebenso zu diesem Ergebnis: Der Körper der Kinder, die frühzeitig Butyrat und andere kurzkettige Fettsäuren bilden, wie z.B. Propionat, arbeitet eher ausgleichend. Somit sind bis zum 6. Lebensjahr Sensibilisierung, Asthma und Nahrungsmittelallergie seltener als bei Kindern, die nicht ausreichend Butyrat im Stuhl aufwiesen. Ursache für die Bildung kurzkettiger Fettsäuren war hier nicht die Einnahme probiotischer Nahrungsergänzungsmittel, sondern der Verzehr natürlicher Nahrungsmittel wie Joghurt, Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte. Die Forscher konzentrierten sich weniger auf einzelne Probiotika, sondern betrachteten das gesamte Lebensumfeld. Denn es ist weniger ein einziger Faktor als vielmehr das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, die sich positiv oder eher ungünstig auf ein Allergierisiko auswirken: Einflussfaktoren, die das Allergierisiko senken, sind z.B.:Einflussfaktoren, die das Allergierisiko erhöhen, sind z.B.: Lebensumgebung des Kindes Familiengröße und Teilnahme an Spielgruppen Haustiere Stillen Selbstzubereitetes Essen Fermentierte Lebensmittel Ballaststoffe Probiotika Ein-Kind-Familien Kaiserschnitt Viel Desinfektionsmittel und antiseptische Mittel Antibiotika Fast Food ballaststoffarme Ernährung Allergierisiko senkende Faktoren beeinflussen auch unsere Mikrobiota günstig. Fazit Probiotika können die Darmmikrobiota günstig beeinflussen, sie sind jedoch keine Wundermittel. Probiotika mit einer nachgewiesen positiven Wirkung können eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise ergänzen. Sie sollten immer als Teil des Ganzen betrachtet werden. Darmgesunde Ernährung bedeutet vielfältig essen mit: reichlich Gemüse, Hülsenfrüchten und frischem Obst bevorzugt Vollkornprodukten fermentierten Lebensmitteln (z.B. Sauerkraut und andere fermentierte Gemüse, Joghurt, Kefir, Kombucha, Kimchi, Miso, Tempeh…) Abschließend lässt sich sagen, dass zum jetzigen Zeitpunkt von Stuhltestungen ohne medizinische Indikation abzuraten ist. Ein großer Teil der Bakterien überlebt in sauerstoffhaltiger Atmosphäre nicht, sodass bei den Testungen nur Bakterien nachgewiesen werden, die mit Sauerstoff einigermaßen gut leben können. Dadurch erhält man ein verzerrtes Bild davon, was im Darm lebt. Zudem ist unbekannt, wie eine optimale Mikrobiota aussieht. Wir kennen nur einzelne Keime, die wir mit Gesundheit assoziieren. Wir benötigen jedoch Daten, die uns dabei helfen, individuell auf den Patienten eingehen zu können und so weit ist die aktuelle Forschung noch nicht. Weiterführende Informationen Darmflora - pflegen und verstehen Probiotika - eine Bestandsaufnahme
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